3D-Labor ermöglicht Wanderungen durch virtuelle Welten
Wie ein Orgelkonzert in einer Kirche klingt, wie sehr der Nachhall in einer Bahnhofshalle oder in einem akustisch schlecht gedämmten Klassenzimmer die Sprachverständlichkeit verringert, all das wollen Prof. Martin Hansen und seine Kolleg*innen vom Institut für Hörtechnik und Audiologie der Jade Hochschule im 3D-Labor unter dem Dach der Hochschule simulieren. Die bewegten Bilder werden mittels spezieller Beamer auf die Großleinwand projiziert und durch eine 3D-Brille dreidimensional wahrgenommen. „Das kennt mancher schon vom Kino“, erläutert die Hochschule. „Hinzu kommt dann aber ein System für virtuelle Akustik.“
420 Lautsprecher
„Wir haben 420 Lautsprecher installiert, mit deren Hilfe sich virtuelle Schallquellen beliebig im Raum positionieren lassen. Das heißt, der Schall kann aus jeder Richtung und Entfernung kommen“, erläutert Martin Hansen das neue System, das von Studiengebühren finanziert wurde und primär den Studierenden der Bereiche Hörtechnik und Audiologie, Geoinformation und Architektur zur Verfügung steht. „Das System funktioniert nicht wie eine Dolby-Surround-Anlage, bei der es nur einen ‚Sweet Spot‘ gibt, von dem aus der Nutzer optimal hört“, erklärt Stefan Raufer, der Hörtechnik und Audiologie studiert. „Bei unserer Anlage spielt es keine Rolle, wo man sich innerhalb der installierten Lautsprecher aufhält. Dadurch können mehrere Zuhörer gleichzeitig denselben Richtungseindruck erhalten, auch wenn sie sich dabei im Zuhörerraum bewegen.“ So kann man sich im 3D-Labor problemlos durch ein spielendes Orchester bewegen, man könnte künftigen Auto- oder Bahnlärm simulieren und virtuell erleben, noch bevor die Strecken gebaut werden. Auch Klassenräume in Schulen, in denen alle Kinder den Lehrer verstehen sollen, könnten hier vorab optisch und akustisch virtuell erlebt werden. Der Klang (und das Aussehen) von noch nicht existierenden Dingen kann im 3D-Labor grundsätzlich erzeugt werden.
Erkenntnisse für Hörgeräte nutzbar
Mit der neuen Technik sind auch spezielle Hörtests möglich, was sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden von Hörtechnik und Audiologie besonders interessiert. Hörforscher könnten neue Hörgeräte vorab auf ihre gewünschte Wirkung testen. Denn der sogenannte Cocktailpartyeffekt macht schwerhörigen Menschen besonders zu schaffen, weil selbst moderne Hörgeräte diesen hohen Anforderungen nicht optimal gerecht werden. „Das alles hört sich einfach an, doch um die Anlage bedienen zu können, braucht es viel Können“, teilt die Hochschule mit. „So wurde beispielsweise die Software, die Audio und Video kombiniert, selbst programmiert. Das heißt, bis Studierende und Wissenschaftler Straßen- und Klassenlärm simulieren und das perfekte Hörgerät entwickeln können, brauchen sie noch Zeit.“ „Für Studierende dauert es viele Stunden, bis sie mit der Anlage eigene, neue Experimente und Simulationen entwickeln können. Doch diese Hürden werden wir nehmen“, ist Martin Hansen überzeugt. „Dann kann hier im 3D-Labor wichtige Grundlagenforschung zum Nutzen der Menschen betrieben werden.“