Mehr Frauen in die IT: So wird aus Plänen Realität
Im Sommer 2020 hat bremen digitalmedia in der IT-Standortstudie festgestellt, dass nur ein Drittel der Beschäftigten der Bremer IT-Branche weiblich ist. Seitdem steht ganz oben auf der Agenda, Frauen für die IT zu motivieren und ihren Anteil zu erhöhen. Gut zwei Jahre nach der Studie ist es Zeit für eine kleine Zwischenbilanz. Welche Ideen und Maßnahmen wurden bisher umgesetzt und sind sie erfolgreich?
Eine ganz konkrete Maßnahme ist Ende 2021 mit dem Projekt F.IT Frauen in IT gestartet. Durch gezielte Aus- und Weiterbildungsangebote will das von der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa geförderte Projekt für Frauen die Möglichkeit eines Quereinstiegs in die Branche schaffen. Das bremen digitalmedia Mitglied cbm GmbH ist einer von mehreren Kooperationspartnern des Projektes. Das vierwöchige Kursangebot „Frauen starten digital durch“ wurde von der Agentur für Arbeit Bremen – Bremerhaven und der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa in Zusammenarbeit mit der cbm GmbH initiiert und liefert F.IT einen wichtigen Zugang zur Zielgruppe. Im Frühjahr 2022 wurden rund 80 Frauen befragt, die an dem Angebot teilgenommen hatten, gut 30 von ihnen haben geantwortet.
Durch den Kurs wurde bei der großen Mehrheit der Befragten (81 Prozent) das grundsätzliche Interesse an einer Tätigkeit in der IT-Branche geweckt. Vor allem die flexiblen Arbeitszeiten, die interessanten Aufgaben, gute Karrierechancen und vorhandene Weiterbildungs-möglichkeiten sowie die Option, im Homeoffice zu arbeiten, haben sie von einer Arbeit im IT-Bereich überzeugt.
Fast jede zweite Teilnehmerin geht in die IT
42 Prozent der befragten Frauen gaben an, aktuell im IT-Bereich tätig zu sein. Sie haben entweder einen direkten Zugang zu einem IT-nahen Arbeitsplatz bekommen oder haben sich für eine Weiterbildung entschieden, die den Zugang zu einem IT-nahen Beruf eröffnen soll. Eine von ihnen ist Gaby Socha. Sie hatte als Bürokraft gearbeitet, bevor sie arbeitslos wurde. Die Agentur für Arbeit hat ihr den Kurs „Frauen starten digital durch“ angeboten. „Ich hatte bereits 50 Bewerbungen geschrieben und 30 Absagen bekommen, das war eine schwierige Zeit und ich war bereit, etwas Neues auszuprobieren“, erzählt die 54-Jährige. Ein grundsätzliches Interesse an IT war schon da. „Ich habe mal EDV- und Büromanagement gelernt, aber es hat sich ja wirklich alles total verändert.“
Gaby Socha wurde durch den Kurs zu einer Umschulung zur Fachinformatikerin motiviert und ist jetzt seit einem Jahr dabei. Aktuell sucht sie einen Praktikumsplatz ab Oktober. „Es ist spannend zu sehen, dass ich als Fachinformatikerin auch in Bereichen wie Raumfahrt, Rüstungsindustrie oder Krebsforschung arbeiten könnte. In allen Branchen müssen Daten gesammelt und ausgewertet werden, es gibt so viele Möglichkeiten.“ Auch sei sie überrascht gewesen, dass Fachinformatiker*innen fast immer auch in Teams arbeiten. „Das gefällt mir richtig gut.“ Aber nun muss es erst mal mit dem Praktikum klappen. Gaby Socha ist gespannt, was danach kommt.
Interesse kann in kurzer Zeit geweckt werden
Die Teilnehmerinnen der Umfrage haben vor dem Kurs im Groß- und Einzelhandel, in Verkehr, Logistik, Dienstleistung, Handwerk oder im Finanzwesen gearbeitet. Etwas die Hälfte von ihnen war unmittelbar vor Beginn der Weiterbildung erwerbslos.
Knapp die Hälfte der Frauen zeigte ein Interesse für die IT-Branche. Lediglich 19 Prozent der Teilnehmerinnen gaben an, sich auch nach dem Kurs nicht für die IT-Branche zu interessieren. Gründe hierfür seien etwa fehlendes Zutrauen oder die für eine Entscheidung zu kurze Laufzeit der Maßnahme.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass das Interesse an digitalen Berufsbildern innerhalb kürzester Zeit geweckt werden kann. Nebensächlich ist, dass die Kursteilnehmerinnen dabei über verschiedene Biografien verfügen und zuvor in ganz unterschiedlichen Branchen tätig waren. Vielmehr zählen die individuelle Betreuung der Frauen, die Stärkung ihres Selbstvertrauens und der Austausch mit IT-Fachleuten, um das Interesse an der Aufnahme einer IT-nahen Beschäftigung zu wecken.
Mit dem vor einigen Wochen eingerichteten F.ITranet sind aktuell die Mitglieder des Branchenverbands gefragt. Durch eine Registiereung im internen Bereich, sind sie nicht nur aufgefordert, ihren Input und ihre Bedarfe an Praktikant*innen und Menschen aus Weiterbildungs- oer Umschulungsmaßnahmen anzugeben. Sie können sich im umfangreichen FAQ zum Projekt, Förderungsmöglichkeiten und vielen mehr informieren. Im nächsten Schritt wird das F.ITranet für Nicht-Mitglieder geöffnet.
Wege in die IT: Role Models machen es vor
Nähe, Selbstvertrauen und der Austausch mit Expertinnen und Experten ist auch der Ansatz, den Avanja verfolgt. Auf der interaktiven Plattform werden Unternehmen der Digitalwirtschaft informiert und motiviert, mehr Frauen für die IT zu begeistern. Avanja wurde von bremen digitalmedia initiiert und umgesetzt und von der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa gefördert. Seit kurzem kommen Role Models zu Wort, die ihre Geschichte in die IT und in digitale Berufsbilder erzählen und jungen Frauen Tipps geben, wie sie ihren Weg in die IT finden können.
Julia Freudenberg zum Beispiel ist Geschäftsführerin der Hacker School in Hamburg und hat eine Vision: „Jedes Kind sollte einmal programmiert haben, bevor es sich für einen Beruf entscheidet.“ Sie rät jungen Menschen, möglichst viel auszuprobieren, Praktika zu machen und sich nicht von Vorurteilen abschrecken zu lassen. „Mich ärgert das Klischee, dass Mädchen nicht programmieren können sollen. Das ist Quatsch. Man kann ganz viel schaffen in dem Bereich, wir programmieren ja schließlich nicht mit den Eierstöcken“, sagt sie.
Sandra Lachmann ist Autorin, Kolumnistin und Storytelling-Expertin. Und nicht davon abzubringen, mehr Gender-Gerechtigkeit, mentale Gesundheit und Vertrauen in die Arbeitswelt zu bringen. „Ich hatte in meiner ersten Festanstellung als Pressesprecherin einen Vorgesetzten, der mir viel Raum und Vertrauen geschenkt hat, um eigene Ideen umzusetzen und meine Stimme im und für das Unternehmen zu finden – obwohl ich zu dieser Zeit wirklich noch sehr grün hinter den Ohren war“, sagt sie. „Dass ich mich so ernstgenommen gefühlt habe, hat definitiv dafür gesorgt, dass ich meine Kompetenzen entdecken und weiterentwickeln konnte.“
Viele spannende Ansätze und erste Erfolge – Bremen ist auf einem guten Weg, nicht nur mehr Frauen für die IT zu gewinnen, sondern damit auch dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.