Wearable Computing: Datenbrillen unterstützen Logistik und Gesundheitswirtschaft

Dem Thema „Wearable Computing“ wird bereits seit langem eine große Zukunft vorhergesagt, allerdings haben sich bis jetzt nur wenige Lösungen am Markt durchgesetzt. Ein vielversprechendes junges Unternehmen aus Bremen gehört nach eigener Einschätzung bereits zur Weltspitze in diesem Bereich: Die Ubimax GmbH entwirft Lösungen und Applikationen für Wearables – also am Körper getragene Computersysteme – die speziell für die Industrie entwickelt werden. Dabei hat sich Ubimax zunächst auf die von Software gestützte Kommissionierung in der Logistik spezialisiert: Mithilfe der Datenbrillen können sich die Arbeiter in Echtzeit alle relevanten Informationen anzeigen lassen, die sie für das Zusammenstellen von Lieferungen benötigen.

„Mit Stift und Papier durch die Hallen rennen, ist natürlich nicht praktisch und neben negativen ergonomischen und ökonomischen Aspekten schleichen sich bei dieser Methode oft unbemerkt Fehler ein“, sagt Ubimax-Sprecher Leonid Poliakov. Das Unternehmen hat deshalb mit „xPick“ eine Software entwickelt, die das Kommissionieren effizienter und fehlerfreier gestalten soll. „Die Brille teilt dem Nutzer mit, welche Gegenstände er aus welchem Fach und in welcher Anzahl entnehmen soll.“ Darüber hinaus gibt es zusätzliche Module, mit denen die Werker durch die Hallen navigiert oder das Gewicht eines Produktes überprüft werden können.

Ubimax bietet verschiedene Datenbrillen-Modelle an, bei denen das Display integriert oder auf Augenhöhe über einen Bügel an der Brille angebracht ist. Die Informationen erscheinen für den Nutzer so, als wären sie im Abstand von etwa fünf Metern auf eine Leinwand geworfen, sodass kein anstrengendes Refokussieren mit dem Auge nötig ist. Über Gestensteuerung, das Einscannen von Produktcodes oder die eigene Stimme können die Mitarbeiter Waren ein- und auslagern oder Aufträge als erledigt abhaken. Die zwei größten  Vorteile dabei: Der Mitarbeiter hat beide Hände frei und den Auftrag stets im Blick.

Support in Echtzeit direkt vor Ort

Schnelligkeit, Fehlerrate und Flexibilität sind gerade für Logistikunternehmen die zentralen Stellschrauben, um Kosten zu sparen. „Je nach Branche entfallen auf die Kommissionierung zwischen 55 und 70 Prozent der gesamten Lagerhallenkosten“, erklärt Hannes Baumann, xPick-Produktleiter bei Ubimax. Die Kommissionierlösung ist ein Standbein des Anfang 2014 gegründeten Unternehmens – xPick, ihr derzeit umsatzstärkstes Produkt, ist im Rahmen eines Transferprojekts mit dem Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) entstanden, das von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen gefördert wurde.

Mit xMake und xInspect gibt es zwei weitere Lösungen für die Bereiche Fertigung und Qualitätssicherung sowie für Service, Wartung und Instandhaltung. „Kennt ein Servicemitarbeiter beispielsweise die zu reparierende Maschine nicht, kann er über die Datenbrille Support anfordern – und wird quasi in Echtzeit angeleitet“, erklärt Ubimax-Sprecher Leonid Poliakov. Diese Wearable-Computing-Lösung stoße besonders in der Automobil- sowie Maschinenbauindustrie auf großes Interesse. Mittlerweile setzt das Bremer Unternehmen, das noch zwei weitere Büros in Wiesbaden und München unterhält, weltweit Projekte mit Kunden wie Daimler, DHL oder BMW um.  Einem unternehmens- oder standortweiten „Roll-out“ einer Lösung geht dabei typischerweise ein Pilotprojekt mit einer reduzierten Zahl an Endgeräten voraus, bei dem die Kunden die neue Technologie ausprobieren und direkt mit bestehenden Lösungen vergleichen können.

Know-how aus wissenschaftlichen Transferprojekten

Der Markt hat sich für das Bremer Unternehmen derart schnell entwickelt, dass Ubimax vor einem halben Jahr von der Baumwollbörse in den Schuppen 2 in der Überseestadt umzog. Inzwischen beschäftigt Ubimax 20 Mitarbeiter – viele der Entwickler haben ihr Know-how an der Universität Bremen erworben und am TZI weiter vertieft. Den Forschungsbereich Wearable Computing hat das TZI seit über zehn Jahren aufgebaut – damit gehört das Institut zu den Pionieren auf dem Gebiet. „Das ist schon eine Alleinstellung“, sagt Ubimax-Geschäftsführer Hendrik Witt, der selbst am TZI in diesem Bereich promoviert hat. „Es gibt wenig Wissen im Markt der Wearables.“

In Transferprojekten mit Industriepartnern, beispielsweise „wearIT@work“ und „SiWear“, legten TZI-Forscher die Grundlagen für heute mögliche marktreife Lösungen. Diese Kompetenz hat auch die Bremer Wirtschaftsförderung überzeugt. „Wir haben die beiden Partner für das Projekt xPick an einen Tisch gebracht“, erläutert Norbert Möllerbernd, Innovationsmanager im Bereich Innovationsförderung bei der WFB. „Die finanzielle Förderung hat sich voll ausgezahlt. Das Projekt ist beispielhaft für gelungenen regionalen Transfer. Es gibt eine marktreife Lösung und es sind über die Firmengründung neue Arbeitsplätze entstanden.“

Einziger deutscher Glass Certified Partner von Google

Die Kooperation mit dem TZI soll auch in Zukunft fortgesetzt werden: Neue gemeinsame Anträge für Forschungsprojekt sind bereits gestellt. „Wir wollen unsere Lösungen immer weiter ausbauen und verbessern“, sagt Witt. „Dafür brauchen wir das Know-how und die Ideen der Wissenschaftler aus Bremen.“ Das Bremer Unternehmen ist in Deutschland der einzige Glass Certified Partner von Google und darf damit praktisch exklusiv Google-Glass-Projekte anbieten. Die Lösungen laufen jedoch auch auf Smartglasses anderer Hersteller, beispielsweise Vuzix, Epson, Meta oder Brother. Die Datenbrillen mit der von Ubimax entwickelten Software könnten bald auch Einzug in der Medizin halten: Das Unternehmen hat mit xCare bereits ein Produkt für medizinisches Personal entwickelt, das unter anderem die relevanten Patienteninformationen zur Verfügung stellt und so die Dokumentation von Diagnose und Medikation erleichtern soll.