Europawahl 2019 – durch die digitale Brille betrachtet

Ende Mai 2019 wählt Europa ein neues Parlament. So weit, so gut. Aber wer wählt eigentlich wen? Und welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung? bremen digitalmedia hat sich mit der Europawahl befasst, ein paar Fakten zusammen getragen und die Wahl durch die digitale Brille betrachtet.

Zunächst einige Fakten

  • In allen EU-Mitgliedsstaaten wird zwischen dem 23.und 26. Mai 2019 gewählt, in Deutschland wird wie immer am Sonntag, also am 26. Mai gewählt.
  • Wahlberechtigt sind alle EU-Bürger, die älter als 18 Jahre sind und mindestens drei Monate in der EU gewohnt haben.
  • In jedem Land wählt man Listen, keine Abgeordneten. In Deutschland macht man auf dem Stimmzettel nur genau ein Kreuz bei einer der Listen.
  • Im alten Parlament saßen 751 Abgeordnete. Solange Großbritannien noch in der EU ist und die Briten wahlberechtigt sind, wird das auch so bleiben. Ohne Großbritannien wären es noch 705 Abgeordnete im EU-Parlament.
  • Deutschland hat mit 96 Abgeordneten die meisten Vertreter im Parlament.

Wahl-O-Mat und Digital-O-Mat

Und wen soll man nun wählen? Dank der Digitalisierung gibt es bereits seit 2002 den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung. Mittlerweile hat er sich als eine von vielen Informationsquellen und Entscheidungshilfen im Vorfeld von Wahlen etabliert, insgesamt wurde er bisher mehr als 71 Millionen Mal genutzt. Unter oben stehender Verlinkung sind sowohl der Wahl-O-Mat zur Bremer Bürgerschaftswahl als auch zur Europawahl zu finden.

Neu ist der Digital-O-Mat, der Entscheidungshilfe bei netzpolitischen Themen zur Europawahl bieten soll. Schließlich werden Entscheidungen rund um die Netzpolitik etwa zu Uploadfilter, Netzneutralität oder Überwachung im EU-Parlament getroffen. Der Digital-O-Mat funktioniert etwas anders als der Wahl-O-Mat: Man gibt selbst zu 10 Schlüsselabstimmungen im Europaparlament zwischen 2014 und 2019 seine Stimme ab, sei es zu Themen wie Fluggastdatenspeicherung, anonymes Bezahlen oder digitale Bildung. Die eigene Entscheidung wird dann mit dem tatsächlichen Abstimmungsverhalten der Parteien verglichen. Initiatoren des Digital-O-Mat sind neun NGOs und Bündnisse, die über netzpolitische Themen zur Europawahl informieren möchten.

Digitalisierung im Parteiprogramm

Für Unternehmen, die sich insbesondere mit der Digitalisierung beschäftigen, ist es natürlich gut zu wissen, wie die einzelnen Parteien das Thema in ihren Programmen aufgegriffen haben. Auf UdL Digital, dem Digital Public Affairs Blog der Telefónica Deutschland, erscheint  in Kooperation mit dem Tagesspiegel Monitoring eine Serie, in der die digitalpolitischen Positionen der deutschen Parteien bei der Europawahl vorgestellt werden. Bislang sind Bündnis 90/Die Grünen, die Freien Demokraten, SPD und CDU/CSU erschienen:

Aus Sicht der Grünen ist in der Digitalpolitik ein europäischer Ansatz essentiell. Die Europäische Union könne „die digitale Welt zivilisieren“ und gleichzeitig die Chancen der digitalen Entwicklung durch gemeinsame Förderung und Wissenstransfer nutzen. Was die Infrastruktur anbelange, sei eine „umfassende europäische Investitionsoffensive“ notwendig, um „Investitionslücken von Hunderten Milliarden Euro“ zu schließen und eine „flächendeckende digitale Infrastruktur“ zu schaffen. Der europäische Ansatz soll auch im Umgang mit großen Digitalkonzernen wie Google, Facebook und Amazon umgesetzt werden, um deren „digitale Marktmacht“ zu regulieren. Hierfür soll unter anderem ein europäisches Kartellamt als Digitalaufsicht geschaffen werden. Auch das Thema Datenschutz spielt eine zentrale Rolle im Europawahlprogramm der Grünen.

Für die Freien Demokraten ist die Digitalpolitik eines der Felder, auf denen die Mitgliedstaaten der EU gemeinsam mehr erreichen können. Daher fordern die Liberalen die Vervollständigung des digitalen Binnenmarkts. Dieser soll „eine einheitliche rechtliche Basis und gemeinsame technische Standards“ in Europa gewährleisten. Eine Digitalsteuer, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, lehnt die Partei hingegen ab. Sie will eine „Doppelbesteuerung digitaler Wertschöpfung“ vermeiden. In ihrem Wahlprogramm fordert die FDP „Gigabitstrukturen in der Fläche“. Ein „ambitionierter Breitbandausbau“ sei Voraussetzung, um die Digitalisierung in der EU voranzutreiben. Deshalb will die FDP, dass EU-weit „Glasfaser bis zur Haustür“ Standard wird.

Die SPD will digitale „Monopol-Konzerne“ dazu verpflichten, „ihre vollständig anonymisierten und nicht-personenbezogenen Daten“ öffentlich zugänglich zu machen. Großkonzerne sollen ihre „Bezahl- und Sprachsteuerungssysteme“ für europäische Dienstleister öffnen, um einen „fairen Wettbewerb“ zu fördern. Investitionen in schnelles Internet müssen laut SPD aus der Privatwirtschaft kommen, die Politik solle dafür die nötigen Anreize schaffen. Die Partei will „eine europäische Einrichtung“ aufbauen, „die technologische Lösungen zur Bewältigung gesellschaftlicher Probleme mit allen Akteuren organisiert“. Auch die Besteuerung von Digital-Unternehmen ist Thema im Programmentwurf der SPD. Die Konzerne sollen einen „fairen Anteil für die solidarische Gesellschaft leisten“.

Innovationsförderung, Cybersicherheit und Industrie 4.0: Digitalisierung spielt im Europawahlprogramm „Sicherheit, Frieden und Wohlstand“ von CDU und CSU durchaus eine Rolle. „Im Bereich der Normierung, Zertifizierung und beim Datenschutz ist Europa Weltmarktführer. Bei der Digitalisierung muss Europa schneller werden“, heißt es im Programm. Um einen europäischen, digitalen Champion aufzubauen, planen CDU und CSU ein Innovationsbudget, die Unterstützung von Startups durch einen Zukunftsfonds sowie eine bessere Finanzierung durch Banken im Binnenmarkt. Der Steuervermeidung internationaler Digitalkonzerne wollen CDU und CSU ebenfalls etwas entgegensetzen. „Wir brauchen eine faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft.“ Auch eine gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage sei für die EU nötig.

Bei dem Überblick wird eines deutlich: Die Digitalisierung ist ein Thema, das aus der Europapolitik nicht mehr wegzudenken ist. Und die Digitalisierung braucht länderübergreifende Strukturen, um Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit gleichermaßen zu fördern. Umso wichtiger ist es, dass jeder EU-Bürger zur Wahl geht und mit seiner Stimme – für welche Partei auch immer – seine Unterstützung zeigt.