Aus dem Weser-Kurier vom 21. September 2004

Experten diskutieren in Bremen über die Zukunft des Mobilfunks

In Deutschland gibt es 65 Millionen Handys. Wenn die Nutzer mit diesen Geräten all das machen würden, was technisch möglich ist, wäre das ein lukratives Geschäftsfeld: Bilder und Musik verschicken, Informationen aus dem Internet laden, mit dem Handy bezahlen. Doch leider wollen die meisten Menschen mit ihrem Handy einfach nur telefonieren oder SMS verschicken.

Die Auseinandersetzung um Musikpiraterie hat gezeigt: Wer sich bisher im Internet umsonst bedient hat, sieht nicht ein, warum er für Lieder oder Informationen bezahlen soll. Das macht die kommerzielle Verwertung von Angeboten so schwierig. Die Mobilfunk-Anbieter haben da eindeutig bessere Karten: „Tausende von Leuten sind bereit, zwei Euro für einen Klingelton auszugeben. Dienste über das Handy haben von Anfang an Geld gekostet. Das ist eine ungeheure Chance frohlockt Maks Giordano von der founding partner iconmobile aus Berlin. Er diskutierte gemeinsam mit andeen Mobilfunk-Experten über „Die Zukunft der mobilen Technologien“. Eingeladen hatten der Verein bremen multimedial und der Bundesverband Digitale Wirtschaft BVDW.

„Nutzer wissen nicht Bescheid“

Klingeltöne sind schon der große Renner. Aber technisch ginge natürlich längst viel mehr. Aber technisch ginge natürlich längst viel mehr. Das Problem ist nur: Die meisten Handy-Nutzer in Deutschland wollen mit ihrem Gerät immer noch vor allem telefonieren oder allenfalls eine SMS verschicken. Schon das Versenden von Bildern, Filmen oder Musikstücken über MMS (Breitbanübertragung per Handy, mit der man auch Bilder und Songs übertragen kann) stößt auf wenig Gegenliebe,
referierte Thorsten Ruhle von der Hamburger COO Minick AG. „Die User haben noch nicht gelernt, mit den Möglichkeiten der neuen Handys umzugehen“, beklagt Ruhle.

Das Schweizer Mutterunternehmen von Minick tummelt sich sehr erfolgreich unter anderem in Großbritannien, und da geht es laut Ruhle bereits ganz anders ab. Zum Beispiel im Bereich Interaktives Fernsehen. Beim englischen Ableger von Big Brother oder bei der Sendung Dating Day konnten die Zuschauer schon per Handy – gebührenpflichtig – eingreifen. Und das ist erst der Anfang. „Spätestens 2008 sind 80 Prozent aller Multimedia-Angebote auf Handys übertragbar“, sagte Ruhle.

Doch damit die Besitzer von Breitband-Handys (sei es nun mit UMTS-, WAP- oder GPRS-Standard) diese Möglichkeit auch nutzen, müssten die Anbieter sie „stärker an die Hand nehmen“. So machen laut Ruhle Fotohandys auch in Deutschland schon 25 Prozent aller Geräte aus, „aber die Leute nutzen die Möglichkeiten nicht.“ Manche kämen mit der Technik nicht zurecht, zum Teil seien die Angebote auch noch nicht attraktiv genug und die Kosten für MMS zu hoch. Das werde sich aber in den nächsten Jahren ändern.

Erotik wäre der Durchbruch

In England sind viele Handy-Nutzer laut Ruhle schon bereit, bis zu 3 Pfund (circa 4,5 Euro) für eine MMS zu zahlen. Ein tolles Geschäft seien Fussballinformationen in Text und Bild. Die „Killer-Applikation“ (das Angebot, das den Durchbruch zum Massenmarkt erzielen könnte) seien allerding Erotik-Filmchen, die man sich aufs Handy laden könne. Das bestätigte auch Maks Giordano. In Deutschland seien die gesetzliche Beschränkungen allerdings so groß, dass das Angebot an die Unterwäsche-Seiten des Otto-Kataloges erinnere. Der „Klingelton des Monats“ einschließlich Video-Clip mit sich räkelnden Damen ist in England jetzt schon ein gutes Geschäft für Minick.

Wann sich die hohen Investitionen für UMTS auf dem deutschen Markt endlich rentieren, konnte der Leiter der T-Mobile-Region Nord, Bernhard Preilowski, auch
nicht sagen. Die Durchdringung des Marktes brauche eben Zeit. Die Möglichkeiten seien jedoch unendlich. Eine große Einnahmequelle der Zukunft sind für Preilowski Bezahlsysteme über das Handy. „Das Handy könnte jede Art von Geldkarte ersetzen.“

Dirk Schwampe, Sprecher der Bremer Mobile Solution Group, sieht Rendite-Chancen vorerst vor allem in Anwendungen für Unternehmen (b2b). Um die Marktfähigkeit solcher Entwicklungen zu testen, biete Bremen ein ideales Testbett an. Die Förderung von mobilen Angeboten durch das Land Bremen erhielt auch vom T-Mobile-Mann gute Noten. „Es ist allerdings schade, wie wenig daraus gemacht wird.“ Bremer Unternehmen hätten bereits interessante Lösungen im Schrank. „Warum werden die nicht angeboten?“ Statt damit auf den Markt zu gehen, werde endlos diskutiert.

Redakteurin Annemarie Struß-von Poellnitz