Digitale Transformation: Unternehmen suchen Know-how

Das Thema Digitalisierung ist mittlerweile in den Führungsetagen der meisten Unternehmen angekommen. Eine Umfrage des Beratungsunternehmens PwC hat ergeben, dass die größeren Firmen weltweit jährlich rund fünf Prozent ihres Umsatzes an Investitionen in den digitalen Wandel einplanen – das entspricht einem Volumen von 907 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Davon erhoffen sie sich Kosteneinsparungen von 3,6 Prozent und eine Umsatzsteigerung von durchschnittlich 2,9 Prozent pro Jahr.

Allerdings sind auf dem Weg auch noch einige Hürden zu nehmen. Schwierigkeiten bereitet vor allem der Personalmangel im IT-Bereich. „Auch im Hinblick auf das konsequente Nutzen von Data Analytics sind Firmen noch nicht weit genug“, betont PwC.

In Bremen stehen die Unternehmen vor ähnlichen Herausforderungen, wie eine Veranstaltung des Netzwerks i2b am 2. Mai mit rund 450 Besuchern in der Bürgerschaft zeigte. Von der Hafenwirtschaft über die Banken bis zu den Medienunternehmen – niemand weiß genau, wohin die Reise geht, aber allen ist klar, dass sie sich auf den Weg machen müssen. Gesucht werden Fachleute, die den Unternehmen helfen können, in der neuen Landschaft zu überleben. Gleichzeitig gilt es, die bestehenden Mitarbeiter mitzunehmen – und zwar möglichst freiwillig.

Standard-Leistungen droht die Automatisierung

Zu den Branchen mit den meisten Beschäftigten im Nordwesten zählt die Logistik. Auf der einen Seite handelt es sich um ein sehr traditionelles Gewerbe, dessen Angehörige oft eine erhebliche Skepsis gegenüber den neuen Technologien mitbringen. „Wir kennen doch unsere Kunden“ ist eine weit verbreitete Einstellung, wie Günter Hörbst, Geschäftsführer der Bremischen Hafenvertretung und ehemaliger Chefredakteur der Deutschen Verkehrs-Zeitung, in der Bürgerschaft berichtete. Auf der anderen Seite handele es sich jedoch um eine Querschnittsbranche, die als Dienstleister für alle anderen Branchen im Einsatz sei. Dadurch seien viele Unternehmen früh gezwungen gewesen, den Technologiesprung mitzumachen – gerade größere Konzerne erwarteten dies von den Auftragnehmern.

Hörbst erwartet, dass Standard-Leistungen im Logistikbereich künftig automatisiert werden. Beispielsweise könnten Plattformen geschaffen werden, die den Informationsfluss und die Transporte automatisch koordinieren, sodass der Mensch an dieser Stelle weitgehend überflüssig wird. Er sieht in der Digitalisierung aber auch die Chance für Unternehmen, ihr Angebot zu differenzieren. In der Logistik seien deutschlandweit rund 70.000 Betriebe aktiv, die in ihrem jeweiligen Bereich meist sehr gleichförmige Dienstleistungen anböten, sodass sie leicht austauschbar seien. Unternehmen sollten die Digitalisierung daher als Chance begreifen, sich ein unverwechselbares Verkaufsargument zu erarbeiten, so Hörbst.

Gesellschaftlicher Wandel muss mit technischen Veränderungen einhergehen

Als positives Beispiel nannte er den Einsatz von Datenbrillen, um Lagerarbeiter dabei zu unterstützen, die richtigen Teile aus den Regalen zu greifen. Das Bremer Unternehmen Ubimax bietet entsprechende Technologien an, die laut Hörbst bei den Kunden teilweise Effizienzgewinne von 25 Prozent ermöglichen.

Er regte gleichzeitig an, die Digitalisierung nicht nur als technische Herausforderung zu begreifen, sondern auch als gesellschaftliche Aufgabe. „Es gibt in den Unternehmen viele Menschen, die das nicht mehr nachvollziehen können“, berichtet er. Daher sei es wichtig, den Wandel mit einem Change Management zu begleiten. „Wir brauchen eine Gesellschaft, die in der Lage ist, mit den Veränderungen umzugehen.“

Sparkasse sucht Nähe zu Technologie-Unternehmen

Bei der Sparkasse Bremen beobachtet man unter Kunden und Mitarbeitern ebenfalls eine gewisse Skepsis. Die Digitalisierung löse bei vielen Menschen Ängste aus, erklärte Tim Nesemann, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse. Einerseits brächten die neuen Technologien ein gesteigertes Maß an Komfort, das kaum jemand missen wolle, andererseits entstünden aber auch neue Sorgen über Arbeitsplätze, Frieden und Sicherheit.

Wichtig ist es laut Nesemann, zunächst einmal anzuerkennen, dass sich der Prozess nicht aufhalten lasse: „Einmauern hilft nicht.“ Also müsse jeder überlegen, was die Entwicklung für ihn als Unternehmen oder als Privatperson bedeutet und wie sie gestaltet werden kann. Dass Unternehmen vom Markt verschwinden, habe es schon immer gegeben. Für die Einzelperson sei das aber nicht so schlimm, „wenn man Fähigkeiten hat, die anderswo wieder benötigt werden“.

Der Sparkasse soll es allerdings nicht so ergehen, obwohl ihr Geschäftsmodell durch den technologischen Wandel „auf den Kopf gestellt wird“, so Nesemann. Eine Reaktion ist der Umzug der Zentrale in den Technologiepark Bremen: Dort will man näher an den Start-ups und den technologischen Kompetenzen sein, die auch im Finanzwesen weiter an Bedeutung gewinnen.

Alte Medien suchen Kontakt zu neuen Generationen

Der Weser-Kurier hat es unterdessen mit einer alternden Leserschaft zu tun: Der klassische Abonnent ist älter als 60 Jahre, wie Vorstand Eric Dauphin berichtete. Vorteil: Diese Zielgruppe ist mit Papier noch zufrieden. Nachteil: Sie stirbt langsam aus. „Wir müssen sehen, wie wir eine neue Generation erreichen“, erklärte Dauphin. Ein Baustein ist dabei das eigenständige Portal „Nordbuzz“, das mit neuen Geschäftsmodellen experimentieren soll.

Allerdings stößt das Unternehmen dabei auf ein Problem: „Wir brauchen Leute, aber hier in Bremen kriegen wir keine“, berichtete Dauphin. Für die Produktentwicklung könne nicht einfach ein SAP-Entwickler genommen werden, sondern es brauche die passenden Fachkräfte. Er appellierte daher an die Politik, mehr für die Ausbildung von IT-Spezialisten zu tun.

Unterstützung für Bremer Unternehmen

Kai Stührenberg, stellvertretender Abteilungsleiter Innovation bei der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB), hob unterdessen hervor, dass die Bremer Hochschulen bei der Bereitstellung von Absolventen im IT-Bereich im Bundesvergleich schon weit vorne liegen. Nun gelte es unter anderem, dafür zu sorgen, dass sie nach dem Studium nicht abwandern. Grundsätzlich seien jedoch viele junge, motivierte Leute zu finden, die sich Gedanken darüber machen, wie sich Dinge verändern lassen. So habe sich kürzlich beispielsweise ein Team bei ihm gemeldet, dass die Speditionsbranche revolutionieren wollte.

Seine Beobachtung: Den meisten Unternehmen ist bewusst, dass sie sich verändern müssen, aber sie können es alleine aus eigener Kraft kaum schaffen. Den großen Unternehmen fehlten oft die Innovationskraft und der nötige Wille, den kleinen und mittleren mangele es eher an finanziellen Ressourcen oder Kontakten, um sich das erforderliche Know-how zu besorgen. Die WFB unterstützt Unternehmen daher sowohl mit Verbindungen zu potenziellen Partnern oder Dienstleistern, als auch mit dem Zugang zu Förderprogrammen. Dabei werden auch Unternehmen beraten, die noch am Anfang der Überlegungen stehen, wie sie sich verstärkt digitalisieren können.