Frauen in die IT: Handlungsmöglichkeiten und neue Angebote

Die Vereinigten Arabischen Emirate überraschen mit einer ganz besonderen Höchstleistung: die dortigen Universitäten verzeichnen in technischen IT-Studiengängen mittlerweile mehr weibliche Studierende als männliche. In Deutschland, wo man sich allgemein für deutlich „frauenfreundlicher“ hält, stagnierte die Quote dagegen in den vergangenen Jahren bei 16 bis 18 Prozent.

Eine andere Statistik ist noch ernüchternder: Das Top-Management deutscher IT-Unternehmen setzt sich durchschnittlich nur zu 5 bis 8 Prozent aus Frauen zusammen. Wenn das mittlere Management eingerechnet wird, sind es 17 bis 23 Prozent. Bremen liegt hier zusammen mit den anderen norddeutschen Bundesländern am Ende der Statistik, wie die Hoppenstedt Firmeninformationen GmbH und die Hochschule Osnabrück ermittelt haben.

Immerhin: Wenn man die oben genannten Zahlen zusammenfügt, könnte man zu dem Schluss kommen, dass fast jede Frau, die ein IT-Studium absolviert, irgendwann auch ins Management aufsteigt – jede Dritte sogar ins Top-Management. Dass sich die Statistik diesbezüglich mit der Realität deckt, ist eher unwahrscheinlich, aber eins wird auf jeden Fall deutlich: Um spürbar mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen, müssen sich überhaupt erst einmal mehr Mädchen für diese Berufe entscheiden.

Nerd-Image als „Belastung für die Persönlichkeitsfindung“

An einem Mangel an Informationsmöglichkeiten liegt es zunächst einmal nicht, dass die Beliebtheit der IT-Jobs bei jungen Frauen recht gering ist. Die Berufsorientierung ist nach Meinung der Wirtschaftspsychologin Janne Grove heutzutage „extrem umfassend“. Grove stellte Anfang April bei einer Veranstaltung von Hamburg@work, dem Partnernetzwerk von bremen digitalmedia, die Ergebnisse einer Befragung von Expertinnen aus dem IT-Bereich vor. Trotz aller Informationsangebote würden häufig die typischen Mädchenberufe bevorzugt.

Als wichtigstes Hindernis nennt Grove die immer noch stark ausgeprägten Geschlechterrollen. „Mädchen haben es schwer, sich für technische Berufe zu begeistern, ohne als unweiblich zu gelten“, sagt sie. Die Entscheidung sei daher eine Belastung für die Persönlichkeitsfindung. Auch unter Jungs sei das „Nerd-Image“ für IT-Berufe weit verbreitet, obwohl es nicht mit der Realität übereinstimme. Die Eltern seien als Berater oft keine große Hilfe, weil sie zum einen falsche Bilder von ihren Töchtern hätten und zum anderen auch nur mit den traditionellen Berufen vertraut seien.

Fünf Handlungsvorschläge

Gründe, mehr Frauen in die IT-Unternehmen zu holen, gibt es laut Grove viele. Gemischte Teams hätten sich grundsätzlich in der Wirtschaft bewährt, zumal Frauen oft eine andere Sichtweise mitbringen. Aber auch der wachsende Fachkräftemangel sei ein wichtiges Argument.

Als Handlungsvorschläge nennt sie auf Basis ihrer Untersuchung unter anderem:

  • Mädchen und Jungen im Unterricht trennen: Dies sei oftmals ein erfolgreicher Weg, um Mädchen für den technischen Bereich zu begeistern. „Man muss den Mädchen sagen, dass die Rechner-Erfahrungen der Jungs keinen Vorteil im Studium und Beruf darstellen“, zitiert sie eine Umfrageteilnehmerin.
  • Praxiserfahrungen ermöglichen, denn sie sind für Mädchen bei der Berufswahl sehr wichtig
  • Persönlichkeitsentwicklung fördern: Mädchen haben beim Umgang mit technischen Themen oft Minderwertigkeitsgefühle gegenüber Jungen
  • Teambuilding stärken: Frauen empfinden es als positiv, andere Frauen in ihrem Umfeld zu haben
  • Kommunikation trainieren: Durchsetzungsvermögen gegenüber Männern muss gelernt werden

Das Hamburger Institut für Personalentwicklung bietet jetzt ein Orientierungsprogramm für Abiturientinnen an, um mehr Interesse an IT-Berufen zu wecken. Es setzt sich aus drei Monaten Theorie und sechs Monaten Praktika zusammen. Interessierte Unternehmen können einen „Letter of Intent“ unterschreiben. Kontakt: Andrea Pfennigstorf und Eginhard Spiegel.

Bremer Initiative vermittelt angehende Fachinformatikerinnen

In Bremen gibt es ebenfalls eine neue Initiative, die Mädchen an technische Berufe – auch im IT-Bereich – heranführen soll. Das Projekt „girls4technic“ wurde im Dezember vom Bildungszentrum der Wirtschaft im Unterwesergebiet e.V. (BWU) gestartet und fördert den Zugang von jungen Frauen in eine gewerblich-technische Berufsausbildung, darunter diejenige zur Fachinformatikerin.

Ausbildungsbetriebe mit entsprechendem Handlungsbedarf werden von dem Projekt dabei unterstützt, ihre Auswahlentscheidungen und -verfahren zu überprüfen, sich für junge Frauen verstärkt zu öffnen und Ausbildungsstellen mit weiblichen Auszubildenden zu besetzen. „Viele Betriebe sind sehr offen für dieses Thema“, berichtet Annette Fischer, die das Projekt gemeinsam mit zwei Kolleginnen betreut.

Zwei Mitgliedsunternehmen von bremen digitalmedia haben bereits Kooperationen mit girls4technic vereinbart – beide haben dafür zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt. Einer der beiden Plätze wurde bereits besetzt. Das Mädchen habe eigentlich einen anderen Beruf lernen wollen, berichtet Fischer, aber die Beratung habe ihr die Ausbildung zur Fachinformatikerin nähergebracht. Ein zweiwöchiges Praktikum habe sie und das Unternehmen dann voneinander überzeugt.

Tipps für die gezielte Ansprache von Bewerberinnen

Die BWU-Mitarbeiterinnen suchen in Kooperation mit Schulen nach geeigneten Bewerberinnen. Dafür beraten sie interessierte Mädchen teilweise direkt vor Ort. Auch die Vermittlung von Praktika gehört zum Angebot. Manche Kandidatinnen werden darüber hinaus auf Ausbildungsmessen gefunden. Neben der Fachinformatikerin vermittelt girls4technic auch andere Berufe wie Konstruktionsmechanikerin oder Elektronikerin.

„Interessierte Unternehmen sollten uns direkt ansprechen“, bittet Fischer. Zunächst würde dann ein Beratungstermin vereinbart, in dem die girls4technic-Mitarbeiterinnen den Betrieb kennenlernen und das Anforderungsprofil für die Bewerberin ermitteln. Darüber hinaus geben sie Tipps für das Ausbildungsmarketing, damit Frauen gezielter angesprochen werden können. Das Projekt girls4technic läuft noch bis zum 31. August 2014. Es wird vom Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen sowie von der EU gefördert.