Grid Aware Computing: Die grüne Revolution in der IT-Landschaft?

Portrait einer Person, die vor einer dunklen Holzwand steht und in die Kamera lächelt. Portrait einer Person, die vor einer dunklen Holzwand steht und in die Kamera lächelt.
Foto: privat
NachhaltigkeitStellt euch vor: Eure Unternehmensprozesse laufen genau dann auf Hochtouren, wenn der Strom am grünsten und günstigsten ist. Klingt utopisch? Ist es nicht. Die Zauberformel heißt „Grid Aware Computing“. Wir haben mit einer Expertin über das intelligente Energie-Timing gesprochen, das Kosten spart und gleichzeitig die Umwelt schont.

Anita Schüttler, Head of Sustainability der Bremer Software-Agentur neuland, ist eine ideale Ansprechpartnerin für aktuelle und zukünftige Innovationen der Digitalwirtschaft. Auf unsere Frage, welches Thema im Bereich ökologischer Nachhaltigkeit die IT-Branche künftig prägen wird, antwortet sie ohne Zögern: „Grid Aware Computing“.

Das Grundprinzip dahinter ist verblüffend einfach: „Viele IT-Prozesse müssen nicht in Echtzeit ablaufen. Backups, KI-Training oder Datenanalysen können verschoben werden – idealerweise auf Zeiten, in denen das Stromnetz von grüner Energie überflutet wird. Dann ist der Strom nämlich nicht nur nachhaltig, sondern auch günstig.“ Aber auch zu anderen Zeiten, in denen es vergleichsweise kleine Einsparungen gibt, lohne sich Flexibilität. „Sowohl die Preise an der Strombörse als auch der Anteil an Erneuerbaren im Stromnetz schwanken ständig. Diese Schwankungen sinnvoll zu nutzen, sollte das Ziel sein. Denn auch ein bisschen grüner und ein bisschen günstiger rechnet sich auf Dauer“.

Die Verschwendung bei Herstellung und Betrieb von Software ist so groß, dass es riesiges Potenzial gibt, Kosten zu sparen – und dabei Emissionen zu senken.

Anita Schüttler, neuland – Büro für Informatik GmbH

Cloud-Schnäppchen: Die {Spot-Instanzen-Strategie}

Besonders in der Cloud eröffnen sich spannende Möglichkeiten: Cloud-Anbieter wie AWS, Google Cloud oder Microsoft Azure bieten sogenannte Spot-Instanzen bzw. Spot-VMs an. Dabei handelt es sich um überschüssige Rechenkapazitäten, die zu deutlich reduzierten Preisen angeboten werden – allerdings mit der Einschränkung, dass sie jederzeit wieder entzogen werden können, wenn reguläre Kunden die Kapazitäten benötigen. „Wenn man IT-Workloads flexibel gestaltet und solche Kapazitäten nutzt, kann man enorm sparen“, erklärt Anita. „Für nicht zeitkritische Aufgaben ist das eine ideale Lösung.“

Doch nicht nur finanzielle Vorteile seien aus Anitas Sicht ein Grund, sich mit Grid Aware Computing zu beschäftigen. Man müsse es auch tun, um auf die Zukunft vorbereitet zu sein: „Die damit verbundene strategische Flexibilität bereitet Unternehmen auf eine Zukunft vor, in der Energie zunehmend zum limitierenden Faktor wird. Der Nvidia-CEO brachte es kürzlich auf den Punkt, als er sagte, dass in der Zukunft kein einziges Rechenzentrum mehr ohne Energiebegrenzung arbeiten werde.“

Goldgräberstimmung in der IT – und {Nachhaltigkeit} als blinder Fleck

Gut vorbereitet empfindet Anita die Digitalbranche aktuell aber nicht. Und das, obwohl sie einen Boom wie kaum eine andere erlebt. Neue Technologien, allen voran Künstliche Intelligenz, treiben Innovationen rasant voran. Investitionen sprudeln, Rechenzentren wachsen, und Effizienzversprechen dominieren die Diskussion. Doch inmitten dieser Goldgräberstimmung bleibe eine entscheidende Frage oft unbeachtet: Was kostet uns dieser Fortschritt – energetisch und ökologisch?

„Während andere Industrien längst erkannt haben, dass Energie der begrenzende Faktor der Zukunft ist, setzt die IT-Branche noch immer darauf, dass sich das Wachstum schon irgendwie rechtfertigen wird“, erklärt Anita. Dabei sei genau jetzt der richtige Zeitpunkt, nachhaltige Strukturen mitzudenken: „Unternehmen, die ihre IT von Anfang an flexibel und ressourcenschonend gestalten, werden sich langfristig Wettbewerbsvorteile sichern – und gleichzeitig echte Nachhaltigkeit umsetzen.“

Grid {Aware} Computing: Die ersten Schritte

Doch was könnten IT-Unternehmen konkret tun, um für diese Zukunft gewappnet zu sein? „Zunächst geht es darum, ein Bewusstsein für die eigene IT-Nutzung zu schaffen“, rät Anita.

Zentrale Fragen sind:

  • Wie hoch ist der Stromverbrauch unserer Rechenzentren?
  • Welche Prozesse laufen permanent, obwohl sie nur temporär benötigt werden?
  • Welche Workloads können zeitlich flexibel gestaltet werden?
  • Wieviel Verschwendung steckt in unseren Systemen, die man reduzieren und dadurch Spielräume schaffen könnte?

Praktische Tools unterstützen bei der Analyse. So bietet etwa Google Chrome mit „Lighthouse“ eine integrierte Lösung, die viele Hinweise auf Verschwendung und Einsparpotenziale gibt.

Für den tieferen Einstieg empfiehlt Anita Netzwerke wie die Green Software Foundation oder den neuen Bundesverband Green Software, in dem sie als Co-Vorsitzende aktiv ist. „Green Software und Green IT haben das Ziel, dass die IT Ressourcen (Rohstoffe, Energie, Wasser etc.) schont“, erklärt Anita. „Die Green Software Foundation und der Bundesverband Green Software setzen sich dafür ein, den bewussten, verantwortungsvollen Umgang damit überall in der Branche normal zu machen.“

Entscheidend sei auch die interne Weiterbildung: „Viele Entwicklerinnen und Entwickler sind sich gar nicht bewusst, welche Stellschrauben sie haben“, betont sie. Trainings und Workshops schaffen das nötige Bewusstsein, während die Integration von Nachhaltigkeitszielen in die OKRs langfristige Verankerung sichert.

Je flexibler und effizienter das IT-System, desto besser passt es in eine Zukunft, die von schwankender Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom bestimmt wird.

Anita Schüttler, neuland – Büro für Informatik GmbH

Fazit: Nachhaltigkeit mit {wirtschaftlichem} Mehrwert

Grid Aware Computing ist weit mehr als ein vorübergehender Trend – es repräsentiert einen fundamentalen Wandel im Umgang mit digitalen Ressourcen. Die Kombination aus Kosteneinsparung und Emissionsreduktion macht es zu einer strategischen Option für zukunftsorientierte Unternehmen. In einer Zeit, in der Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu entscheidenden Wettbewerbsfaktoren werden, bietet dieser Ansatz einen doppelten Vorteil: Er verbessert die Wirtschaftlichkeit und stärkt gleichzeitig das Nachhaltigkeitsprofil des Unternehmens.

Für interessierte Unternehmen steht Anita als Ansprechpartnerin zur Verfügung: „Ich halte regelmäßig Vorträge und bin für Austausch offen. Wer tiefer einsteigen möchte, kann mich gerne kontaktieren.“

Gruppe von zehn Menschen, die um einen TV-Bildschirm herum aufgestellt sind und alle in die Kamera lächeln. Foto: Annekathrin Gut
Arbeitskreis Code & Klima

Wer sich noch intensiver mit Green IT beschäftigen möchte, kann an unserem regelmäßigen Arbeitskreis „Code & Klima Bremen“ teilnehmen oder dessen Ergebnisse im Blick behalten. Er beschäftigt sich mit verschiedenen Aspekten ökologischer Nachhaltigkeit, beispielsweise Green Coding, nachhaltige Beschaffung und Nutzung von Hardware, Künstliche Intelligenz und deren Impact auf Energieverbrauch und vielem mehr. Die Ergebnisse des Arbeitskreises werden öffentlich zugänglich gemacht, außerdem sind für 2025 Veranstaltungen in Planung.

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