IT-Jobs: Besonderheiten an einem industriell geprägten Standort wie Bremen
Vor drei Jahren hat bremen digitalmedia in einer Studie die IT-Branche in Bremen unter die Lupe genommen. Jüngst hat auch die Arbeitnehmerkammer Bremen Erkenntnisse zu IT-Jobs in Bremen veröffentlicht. Gut bezahlt und männlich dominiert – das ist nach wie vor der Tenor. Lässt sich aus den Ergebnissen der Studien eine Entwicklung für Bremen erkennen? Kann man die Studien überhaupt direkt vergleichen? Welche strukturellen Rahmenbedingungen prägen die IT-Branche in Bremen mehr als in anderen Städten? Wir von bremen digitalmedia haben darüber mit Dr. Tim Voss, stellvertretender Abteilungsleiter Politikberatung bei der Arbeitnehmerkammer Bremen, gesprochen.
Die IT-Branche des Landes Bremen
bremen digitalmedia hatte im Herbst 2019 die Studie „Struktur und Entwicklungsperspektiven der IT-Branche im Land Bremen“ in Auftrag gegeben. Das Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw) hat – in enger Zusammenarbeit mit bremen digitalmedia und gefördert von der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa – die Studie durchgeführt. Dafür wurde neben einer Erhebung der Strukturdaten eine umfassende Online-Befragung vorgenommen, an der sich rund 150 Unternehmen aus der Bremer IT-Wirtschaft und angrenzender Branchen beteiligt haben.
Von 2016 bis 2019 ist die Beschäftigtenzahl innerhalb der IT-Branche von knapp 8.500 Mitarbeiter*innen auf rund 10.500 bis Ende 2019 gestiegen. Zieht man die Zahl der Beschäftigten in der Werbung und im verarbeitenden Gewerbe ab, sind es im Jahr 2019 rund 9.800 Beschäftigte in der IT. Insgesamt macht die Branche einen Anteil von 3,7 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Land Bremen aus und liegt damit über dem Bundesschnitt von 3,4 Prozent.
KammerKompakt: IT-Jobs in Bremen
Die Arbeitnehmerkammer Bremen kommt in ihrem „KammerKompakt“ zu ähnlichen Ergebnissen. Sie zählte in 2019 rund 9.500 Beschäftigte in der IT – und in 2022 rund 11.200. Das sind zwar deutlich mehr als in den vergangenen Jahren – im Vergleich zu IT-Hochburgen wie München, Frankfurt am Main, Nürnberg und Stuttgart besteht aber immer noch deutlicher Nachholbedarf, so die Arbeitnehmerkammer. „Wir haben in 2022 die Sonderauswertung zu IT-Jobs bei der Bundesagentur für Arbeit in Auftrag gegeben“, sagt Voss. „Zusätzlich haben wir die Vergleichszahlen von weiteren Städten mit einer ähnlichen Einwohnerzahl angefragt.“
Gut sind in der IT die Löhne: Mit 4.869 Euro brutto monatlich liegen sie im Mittel mehr als 1.200 Euro über dem Bruttoverdienst aller Vollzeitbeschäftigten im Land Bremen. Im Verhältnis zu anderen Großstädten liegt das allerdings am unteren Ende der Skala. Der Anteil der Beschäftigten in IT-Berufen an allen sozialversichert Beschäftigten beträgt 2022 im Land Bremen 3,5 Prozent.
Wachstumsbranche mit leer gefegtem Markt
Beide Studien zeigen deutlich: „Die IT-Branche ist eine Wachstumsbranche“, sagt Voss. „Die Nachfrage nach Fachkräften ist groß, aber der Markt ist so gut wie leer gefegt. Hochschulabsolventen werden direkt nach dem Abschluss abgefischt.“ Der Frauenanteil in IT-Berufen ist nach wie vor gering. bremen digitalmedia zählte vor drei Jahren knapp ein Drittel, die Arbeitnehmerkammer sogar nur ein Siebtel. Das mag am unterschiedlichen Vorgehen liegen, aber zeigt in jedem Fall, dass Handlungsbedarf besteht. Umso wichtiger, dass es Initiativen und Projekte wie F.IT Frauen in IT, Avanja, oder auch den Internationalen Frauenstudiengang Informatik gibt, deren Erfolge eher mittelfristig zu sehen sein werden.
„Der Frauenanteil in IT-Berufen ist niedrig. Dies liegt einerseits an entgrenzten und überlangen Arbeitszeiten, andererseits an den auch heute noch weit verbreiteten traditionellen Rollenbildern: Technik ist ‚Männersache‘, Care-Arbeit dagegen klassische Frauen-Domäne – Frauen in der IT haben es deshalb auch heute noch schwer“, so das Ergebnis der Arbeitnehmerkammer.
In Bremen zeigt sich das besonders deutlich: „Bremen ist ein traditioneller Industriestandort. Schiffbau, Automobil, Stahl, Luft- und Raumfahrt waren lange und sind zum Teil heute noch dominierende Branchen in Bremen und haben das Rollenverständnis von Männern und Frauen über Jahrzehnte geprägt“, erklärt Voss. Zusätzlich zu den Projekten und Initiativen brauche es Zeit und vor allem veränderte Rahmenbedingungen. „Das heißt: Mehr und flexiblere Kinderbetreuungsangebote schaffen, traditionelle Rollenbilder aufbrechen und Care-Arbeit fairer verteilen“, so das Fazit der Arbeitnehmerkammer.
Die Ergebnisse der Arbeitnehmerkammer gibt es hier.