„Smart City“: Bremen und Oldenburg stellen die ersten Weichen

Der Boom der Informations- und Kommunikationstechnologie wirkt sich auf alle Bereiche des Lebens aus – mit positiven und negativen Folgen, definitiv aber unaufhaltsam. Unter den Schlagworten “Smart City” oder “Smart Region” suchen weltweit immer mehr Städte nach Konzepten, um sich besser zu organisieren und die Lebensqualität für Bewohner deutlich zu erhöhen. Doch was macht eigentlich eine intelligente Stadt aus und welche Chancen bietet die Nordwest-Region, um sich umweltfreundlicher, sozialer und sicherer zu organisieren?

Klimawandel, Urbanisierung und demografischer Wandel fordern Lösungen

Weg vom Land, rein in die Städte: Mittlerweile lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, je nach Prognose werden es im Jahr 2050 bereits 70 oder 80 Prozent sein, die in dieser stark verdichteten Siedlungsform leben. Organisatorisch ist das eine enorme Herausforderung: Massen müssen mit Nahrung, Energie, Mobilität, Wohnraum und Bildung versorgt werden – gleichzeitig fallen gigantische Mengen an Müll an.

Je mehr Menschen auf engem Raum zusammenleben, desto schneller entwickeln sie aber auch neue Lösungen für ihre Probleme und schaffen Innovationen. “Entwicklungen wie der Klimawandel, die Urbanisierung oder der demografische Wandel haben die Suche nach geeigneten Konzepten beschleunigt”, sagt Matthias Brucke, der bereits 2009 für das Oldenburger Informatik-Institut OFFIS an einem Positionspapier zum Potenzial von Smart Cities mitgewirkt hat.

Die Herausforderungen, vor denen die Städte stehen, sind gewaltig: Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien, massive Reduktion des Energiebedarfs, Anpassung an den Klimawandel, Integration stadtverträglicher Verkehrsmittel und Mobilitätssysteme, Umbauten für den demografischen Wandel, Nutzung neuer Finanzierungssysteme und -methoden.

“Unter dem Stichwort ‘Smart City’ suchen die Städte nach Synergien und Konzepten, um sich besser zu organisieren”, so Brucke. Intelligente Städte zielen darauf ab, knappe Ressourcen nachhaltig zu nutzen, neue Technologien zu einzusetzen und Strukturen zu schaffen, die umweltfreundlich, sicher und sozial sind. Vor allem geht es aber darum, bereits bestehende Infrastrukturen noch effizienter zu nutzen. “Die große Herausforderung dabei ist, alles mit allem zu vernetzen.”

Die Überseestadt als Modellregion für Elektromobilität?

In ersten Schritten haben sich auch Bremen und Oldenburg bereits auf den Weg zur “intelligenten Stadt” gemacht. Zu den sichtbarsten Projekten im Bereich “Smart City” zählt die Modellregion Überseestadt: Derzeit kursiert die Überlegung, das Quartier zu einer Modellstadt für neue Mobilitätsformen zu machen. Das Thema Elektromobilität kann hier besonders effektiv mit anderen Angeboten wie Carsharing und ÖPNV verknüpft werden.

“Die Bremer Überseestadt befindet sich noch in der Entwicklung – beste Voraussetzung, um neue Mobilitätskonzepte frühzeitig zu integrieren”, meint Holger Bruns, Pressesprecher des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen. So plant die BSAG im Stadtteil gerade eine neue Buslinie und die Brepark die Errichtung neuer Parkhäuser, in denen Ladestationen für Elektroautos installiert werden können. Das wiederum weckt überregionales Interesse und ist sowohl aus Sicht des Bundes als auch der EU attraktiv.

Die EU-Kommission hat bereits eine „European Smart Cities and Communities“-Initiative gestartet, mit der vorrangig neue Energie- und Verkehrskonzepte gefördert werden. In der vergangenen Woche war die Städteregion in Brüssel zu Gast, um erste Strukturen und Entwürfe zu “Smart City”-Konzepten vorzustellen. Die Ideen dafür sind in drei Arbeitsgruppen entstanden, die seit August regelmäßig zusammensitzen. Beteiligte sind unter anderem die BSAG, der Bremer Umweltsenator und verschiedene Bremer Unternehmen. Bis Frühjahr 2014 kann die Bewerbung bei der EU eingereicht werden – Mitte nächsten Jahres wird entschieden, welche Städte mit den zur Verfügung stehenden 10 Millionen Euro gefördert werden.

“Wir haben das Potenzial zur Vorzeigeregion”

Matthias Brucke leitet zudem bei der niedersächsischen Landesinitiative Mobilität einen Arbeitskreis zum Thema “Smart City”. Der Experte weiß, warum sich besonders der Nordwesten für den Bereich eignet: “Die Region verfügt über eine Kombination an Stärken, die für eine ‘Smart Region’ sehr geeignet sind: Energie, Nahrungsmittel, maritime Wirtschaft, Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt. Außerdem haben wir Städte wie Bremen, Oldenburg und Groningen auf der holländischen Seite, aber auch eine typisch ländliche Gegend wie Ostfriesland. Damit können wir eine Art Blueprint für Europa werden. Wir haben das Potenzial zur Vorzeigeregion.”

So werden im Bereich Weser-Ems beispielsweise schon jetzt 50 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen gewonnen. Der Nordwesten bietet zahlreiche Ansatzpunkte für die Entwicklung zukunftsträchtiger Lösungen: Stärken in Bereichen wie Satellitenkommunikation, Energieeffizienz, Umwelttechnik, Logistik und Robotik bieten umfassende Möglichkeiten, die andere Regionen in der Form nicht haben – damit ist es für verschiedene Akteure ein reizvolles Thema.

Großes Potenzial für IT- und Medienunternehmen

Auch für Unternehmen der IT- und Medienbranche sind die Entwicklungen zum Thema “Smart Region” spannend und bieten vielfältige Chancen, um städtische Infrastrukturen zukunftsfähig zu gestalten. “Bei ‘Smart City’ geht es um Überlegungen, die ganz viele Bereiche, Unternehmen und Akteure betreffen. Wir haben viele Perlen in der Region, die man zu einem Collier zusammen flechten muss. Je besser die Vernetzung, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Lösungen zustande kommen”, sagt Matthias Brucke. Die große Stärke von IT-Unternehmen sieht Brucke beim Thema Sicherheit. “Es hilft nicht alleine, die Dinge intelligent zu vernetzen – die IT kann gewährleisten, dass die Systeme stabil sind.”

Text: Insa Lohmann